In Indien gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die sich die Hijra nennen. Bei den Hijra handelt es sich meist um Personen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen, die sich wie Frauen bewegen und anziehen.
Die Definition einer Hijra ist sehr weitläufig und wird als Sammelbegriff für (natürliche) Eunuchen, also unfruchtbare/kastrierte Männer, Hermaphrodite – das sind Personen die sowohl weibliche, als auch männliche Geschlechtsmerkmale aufweisen und Transvestiten – Männer, die sich als Frauen verkleiden – verwendet.
Oft werden Hijra-Identitäten von der allgemeinen Gesellschaft nicht akzeptiert, da sie sie sich nicht mit einem Geschlecht identifizieren können oder wollen.
Auf der einen Seite ist es durch diese gesellschaftliche Ausgrenzung für die meistens Hijra schwierig einen Job zu finden. Durch diese Problematik verdienen Hijra oft durch Betteln und Prostitution ihr Geld. Auch HIV und andere Geschlechtskrankheiten sind ein großes Problem in der Gemeinschaft.
Auf der anderen Seite werden viele Götter aus der hinduistischen Mythologie als androgyne (sowohl männliche und weibliche Merkmale aufweisende) Wesen oder Hermaphrodite gesehen. Der Hinduismus im Allgemeinen ist der Ansicht, dass alle Personen sowohl männliche als auch weibliche Prinzipien und Anteile in sich haben. Hermaphroditismus ist das Ideal.
Hijra leben meist in eigenen Kommunen. Durch das Beitreten in eine Gemeinschaft müssen sie einen Teil ihres Einkommens abgeben und im Haushalt Aufgaben übernehmen. Im Gegenzug bekommen sie ein Dach über ihrem Kopf, Essen, Schutz vor der Polizei und einen Platz um ihre Geschäfte verrichten zu können, sei es Performen, Betteln oder Prostitution.
In den einzelnen Haushalten wird unterteilt in Gurus (Lehrenden) und Chelas (Schüler). Jede Hijra hat einen Guru und die Eingliederung in die Gesellschaft funktioniert nur durch die Unterstützung eines Gurus. Vom Guru wird erwartet, dass er die Chela wie sein eigenes Kind behandelt (Chelas werden oft als Töchter oder Kinder bezeichnet) und es wird erwartet, dass die Chela dem Guru treu und gehorsam ist.
Hijra werden Kräfte nachgesagt, welche die Fruchtbarkeit steigern und Gesundheit und Glück bei den Nachkommen prophezeien. Auf Hochzeiten oder bei Geburten tragen sie Filmlieder und bekannte Volkslieder vor – in Kombination mit Versen, die Segen für eine glückliche Ehe, ein langes Leben und viele Söhne versprechen. Ihre Aufführungen werden durch Berührungen, durch gesprochene Segen und durch transvestitisches Schauspiel, bei dem sie die Schwangerschaft und Geburt parodieren, zu einem Spektakel, für welches sie Geld, Kleidung und Lebensmittel erhalten.
Prostitution ist für viele Hijras eine wichtige Einnahmequelle. Hijra-Prostituierte befassen sich mit Analverkehr, Fellatio (Oralverkehr) und Geschlechtsverkehr zwischen den Oberschenkeln, die alle im indischen Strafgesetzbuch als „unnatürliche Handlungen“ bezeichnet werden. Es entstehen oftmals lang andauernde Liebesverhältnisse zwischen einem männlichen Freier und einer Hijra, wobei diese Form der Liebe und Sexualität nicht als homosexuell verstanden wird, denn Mann und Hijra gehören nach indischem Verständnis verschiedenen Geschlechtern an und der Sex zwischen ihnen ist hetero. Die Freier ziehen den Sex mit einer Hijra dem mit einer weiblichen Prostituierten vor, weil die Hijras sexuelle Praktiken anbieten, die, weder Ehefrauen noch Prostituierte gestatten würden.
„We are neither men nor women, but at the same time we are both. Hijras are adha-bic [half-in-the-middle] people, and that is why we are both feared and respected at the same time.“
Reddy, Gayatri. 2005. With Respect to Sex. Negotiating Hijra Identity in South India. University of Chicago: Chicago Press. S. 141